Herzklopfen, schwitzige Hände, flacher Atem – und dabei willst du doch einfach nur deine Stücke zum Besten geben.
Vielleicht hast du wochenlang oder monatelang geübt, fühlst dich zu Hause sicher, aber sobald jemand zuhört oder du „auftrittst“, ist alles anders.
Die Nervosität übernimmt das Kommando. Plötzlich fühlt sich alles anders an. Die Kleidung am Körper. Die Knöpfe deiner Harmonika. Alles. Und du bist dir nicht mal sicher, mit welchen Fingern du den ersten Griff spielst, obwohl du gut vorbereitet bist.
Dann bist du nicht allein. Nervosität beim Vorspielen betrifft fast jeden Musiker– egal ob Anfängerin oder Fortgeschrittener.
Die gute Nachricht: Du kannst lernen, besser damit umzugehen. 😉 In diesem Artikel erfährst du eine Strategie, mit der du dich auf jede Auftrittssituation vorbereiten kannst. Aber starten wir zunächst mit der Frage …
Was ist Lampenfieber überhaupt?
Lampenfieber ist eine ganz natürliche Stressreaktion unseres Körpers.
Wenn wir uns in einer Situation befinden, in der wir beobachtet oder bewertet werden, reagiert unser Nervensystem mit einem „Alarmmodus“: Puls und Atemfrequenz steigen, Muskeln spannen sich an, das Denken verengt sich. Eigentlich ein Schutzmechanismus – aber auf der Bühne oder beim Vorspielen kann er uns das Leben ganz schön schwer machen.
Ich war es zum Beispiel mit der Harmonika schon seit meinem 7. Lebensjahr gewohnt vorzuspielen. Natürlich war und bin ich so gut wie in jeder Vorspielsituation etwas nervös. – Es ist einfach eine besondere Situation. Aber es fühlt sich jetzt mit der Zeit immer normaler an.
Diese Sicherheit konnte ich aber leider nicht auf andere Instrumente übertragen.
Vor meiner Aufnahmeprüfung an der Uni hatte ich mit der Posaune mal für Freunde und Familie ein Konzert gespielt. Und genau dort hat sich der körperliche „Alarmmodus“ so richtig gemeldet:
Die Atmung wurde flach.
Das Instrument und meine Lippen fühlten sich an, als ob sie nicht zu mir gehören.
Es wurde alles unkontrollierbar, trotz monatelanger Vorbereitung.
Gelinde gesagt, war es ein Fiasko.
Aber das wertvolle Wissen, dass ich in genau diesen „Momenten der Niederlage“ gelernt habe, ist jetzt von unschätzbarem Wert. – Denn ich weiß, es kann nicht mehr schlimmer als damals in dieser Konzertsituation werden. Und das wurde es auch nie. – Nie. Selbst, wenn Fernsehkameras in einer Livesendung mit Millionenpublikum auf mich gerichtet sind. Mit der Harmonika passiert mir das nicht mehr.
(Ein gewisses Maß an Aufregung ist sogar hilfreich. Es schärft unsere Sinne, macht uns wacher und kann die Musik emotionaler machen. Erst wenn die Nervosität so stark wird, dass sie uns blockiert, lohnt es sich, gezielt etwas dagegen zu tun. Dazu gleich mehr …)
Typische Symptome und Auswirkungen
Jeder erlebt Lampenfieber etwas anders, aber es gibt einige häufige Anzeichen:
- Zittern in den Fingern, Händen oder Beinen
- Schwitzen, trockener Mund
- Atemnot oder flacher Atem
- Konzentrationsprobleme, „Blackout“-Gefühle
- Grübeln, Selbstzweifel („Was war nochmal der 1. Griff? Wie fängt das Stück überhaupt an?“)
- Gefühl von „automatischem Spielen“ ohne Kontrolle
Wenn du dich darin wiedererkennst – kein Grund zur Sorge. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Menschlichkeit! Es fehlt dir einfach noch die Routine, weil du so etwas vermutlich noch nicht so oft gemacht hast.
Verstehe die Ursachen von Nervosität
Die Ursachen von Nervosität sind vielfältig. Meist spielen mehrere Punkte zusammen:
- Angst vor Bewertung: Wir wollen gefallen, keine Fehler machen, ein gutes Bild abgeben.
- Perfektionismus: Der Wunsch, alles „richtig“ zu machen, erhöht den inneren Druck.
- Wenig Auftrittserfahrung: Je seltener wir spielen, desto bedrohlicher wirkt die Situation.
- Vergangene Misserfolge: Schlechte Erfahrungen können das Vertrauen in uns selbst erschüttern.
Das Gute ist: Je besser du diese Mechanismen verstehst, desto leichter fällt es dir, gegenzusteuern. 💪
Und was kannst du konkret tun?
Nervosität lässt sich zwar nicht völlig abschalten – aber sie lässt sich steuern. Es gibt viele erprobte Wege, um mit Lampenfieber umzugehen und das Vertrauen in dich selbst zu stärken.
Ich zeige dir jetzt praktische Strategien für die 3 entscheidenden Phasen:
- Vor dem Auftritt
Die wichtigste Grundlage für ein sicheres Auftreten ist eine gründliche Vorbereitung – sowohl musikalisch als auch mental.
Je besser du dein Stück beherrschst, desto weniger Raum bleibt für Selbstzweifel. Übe gezielt die Stellen, bei denen du ins Stocken kommst, und spiele echte Auftrittssituationen nach.
Du musst dir beim Üben ganz genau bewusst machen, mit WELCHEN Fingern du konkret die ersten Griffe spielst. Denn falls das motorische Gedächtnis unsicher ist, gibt dir das Sicherheit, es „bewusst“ spielen zu können. – Das ist ein wichtiges Auffangnetz.
Dabei kann es sehr hilfreich sein, „Generalproben“ zu veranstalten: Nimm dich mit dem Handy auf. Das ist die Generalprobe zur Generalprobe. 😉 Spiele dann das Stück Freunden und Familie vor. Allein der Gedanke, dass jemand zuhört, verändert schon die innere Anspannung – und genau das kannst du gezielt trainieren.
Mach bei der Generalprobe auch das: „Das Gewand mit Erfolg anreichern“. Ziehe genau das gleiche Gewand wie bei der geplanten Aufführung an. Das gibt dir eine weitere Sicherheit. Eine weitere Konstante.
Spiele außerdem gleich laut, wie du es zuvor geübt hast. Und spiele auch im Stehen, wenn du es dann auch im Stehen spielen möchtest.
Auch mentale Techniken können Wunder wirken.
Stell dir vor, wie du souverän auf die Bühne gehst, ruhig atmest, den ersten Ton spielst – und alles gut läuft. Diese sogenannte positive Visualisierung bereitet dein Gehirn darauf vor, in der echten Situation ähnlich zu reagieren.
Ergänzend dazu helfen Atemübungen, um den Stresspegel vorab zu senken. Schon wenige Minuten bewusstes Ein- und Ausatmen können die Herzfrequenz beruhigen und den Fokus stärken.
- Am Tag des Auftritts
Am Tag des Vorspiels ist es ratsam, keine Experimente einzugehen. Iss wie gewohnt und trag Kleidung, in der du dich wohlfühlst. Alles, was dich ablenken oder verunsichern könnte, gehört nicht auf die To-do-Liste dieses Tages.
Rituale können dir zusätzlich Halt geben – ob das ein kurzes Warmspielen ist, ein aufbauender Satz, den du dir selbst sagst, oder einfach das bewusste Einatmen vor dem ersten Ton. Solche Routinen vermitteln Stabilität und signalisieren deinem Körper: Alles ist in Ordnung.
Ich verrate dir jetzt ein Geheimnis … Ich singe immer eine Stelle aus dem Musical Tanz der Vampire aus dem Stück „Ein perfekter Tag“. Sie geht so: „Alles wird gut, heute ist ein perfekter Tag, an dem man tut, was nur Helden gelingen mag. An einem Tag wie heut geht man durchs Feuer. Man findet Gold und besiegt Ungeheuer.“ 💪
Plane zudem genug Zeit ein, um pünktlich und ohne Hektik am Ort des Vorspiels zu sein. Wer gehetzt ankommt, bringt oft auch innerlich Unruhe mit. Ein ruhiger Start wirkt sich positiv auf deine gesamte Anwesenheit aus.
- Während des Vorspiels
In dem Moment, in dem du spielst, ist es wichtig, deine Aufmerksamkeit ganz auf die Musik zu richten – nicht auf mögliche Fehler oder das Publikum. Versuche, dich mit deiner Harmonika zu verbinden.
Höre dir selbst zu.
Gestalte und Genieße.
Atme.
Erlaube dir, im Moment zu sein.
Wenn du merkst, dass Nervosität aufkommt, nutze 2 wichtige Konzentrationsanker:
- Bewusstes Atmen
- Bewusstes Gestalten von Musik durch Dynamik und schöne Phrasen.
Denke niemals retour an Fehler oder „Kratzerl“, die dir passiert sind. Und auch niemals: „Mit welchen Fingern hab ich das noch schnell gespielt?“. Lenke die Aufmerksamkeit von den Fingern weg.
Und ganz wichtig: Wenn ein Kratzerl passiert – und das kann immer vorkommen – spiele einfach weiter. Niemand erwartet Perfektion. Die Menschen um dich herum sind dankbar für jeden Musikgenuss. Entscheidend ist, dass du in der Musik bleibst und dich nicht vom Perfektionismus aus der Bahn bringen lässt.
Langfristig besser mit Lampenfieber umgehen
Wie bei allem gilt auch hier: Übung macht den Meister. Je öfter du dich eine Spielsituation begibst, desto vertrauter wird. Suche dir kleine, regelmäßige Gelegenheiten zum Vorspielen – das kann beim Stammtisch sein, bei Freunden oder im Garten.
Auch der innere Umgang ist wichtig: Lerne, freundlich mit dir zu sprechen.
❌ Nicht: „Ich darf keine Fehler machen!“
✅ Sondern: „Ich gebe mein Bestes – das genügt.“
Wenn du dich langfristig mit dem Thema Nervosität beschäftigst, wirst du merken, dass du nicht machtlos bist. Du kannst lernen, dich auch in stressigen Momenten sicher zu fühlen – und am Ende mit Freude zu spielen.
Fazit
Nervosität ist keine Schwäche – sie zeigt, dass dir etwas wichtig ist. Und das ist gut so. Mit der richtigen Vorbereitung, mentalem Training und Übung kannst du lernen, mit Lampenfieber umzugehen – und sogar über dich hinauszuwachsen.
Mach dir bewusst: Niemand erwartet Perfektion. Menschen wollen echte Musik hören – und die kommt von Herzen. 💛