Die Anatomie des Spielens: Wie Daumen und Finger beim 4- und 5-Finger-System eingesetzt werden

Celia zeigt das 4- und 5 Finger System vor

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Wer Steirische lernen möchte, macht sich zu Beginn Gedanken über den Fingersatz. Besonders spannend wird es, wenn man das 4- und 5-Finger-System gegenüberstellt – denn hier entscheidet sich, ob der Daumen nur stützt oder aktiv mitspielt.

In diesem Artikel schauen wir uns an, wie die Finger in beiden Systemen arbeiten, welche Vor- und Nachteile es gibt und wie du für dich die passende Spielweise findest.

Was ist der Unterschied zwischen 4- und 5-Finger-System?

Beide beziehen sich auf die rechte Hand – also die Melodieseite deiner Harmonika. Der Unterschied liegt im Einsatz des Daumens:

  • 4-Finger-System: Es werden nur Zeige-, Mittel-, Ring- und kleiner Finger verwendet. Der Daumen stützt von der Seite, greift aber keine Knöpfe.
  • 5-Finger-System: Auch der Daumen wird aktiv beim Spielen eingesetzt – ähnlich wie bei einem Klavier.

Auch ein 4-Finger Spieler, der manchmal den Daumen verwendet, spielt mit 4 Fingern. Ein 5-Finger Spieler hingegen legt immer alle 5 Finger über die Knöpfe und setzt dabei sehr häufig den Daumen ein – selbst bei einfachen Stücken. 

Beide Varianten führen zu einem spürbar anderen Spielgefühl, sind aber absolut legitim und haben jeweils ihre eigenen Stärken und Herausforderungen.

Woher kommen die beiden Systeme?

Ein kurzer Blick in die Geschichte:

  • Das 4-Finger-System stammt aus der alpenländischen Volksmusik – vor allem aus Bayern und Österreich. Früher hatten viele Harmonikas – aus Spargründen – nur einen Riemen, weshalb der Daumen gebraucht wurde, um das Instrument am Körper zu stabilisieren.
  • Das 5-Finger-System kommt vom Akkordeon. Dort ist der Daumen unerlässlich, da die Töne weiter auseinanderliegen als auf der Steirischen. Viele Akkordeonisten brachten deshalb ihr 5-Finger-Spiel mit zur Harmonika – das Fixieren des Daumens in der Daumenleiste fühlte sich für sie oft ungewohnt an.

Wie arbeiten die Finger in beiden Systemen?

Zeige- bis kleiner Finger im 4-Finger-System:

Diese vier Finger übernehmen die Hauptarbeit beim Spiel:

  • Zeigefinger: Der „Arbeiter“ – kein Stück ohne Zeigefinger.
  • Mittelfinger: Ein super Team in Kombination mit dem Zeigefinger und dem Ringfinger.
  • Ringfinger: Weniger unabhängig, wird oft zur Unterstützung eingesetzt.
  • Kleiner Finger: Wird häufig unterschätzt, ist aber bei schnellen Läufen unersetzlich.

Wichtig ist: Jeder Finger sollte bewusst eingesetzt werden – nicht nur der bequemste. 😉

Der Daumen im 4-Finger-System:

  • Wird nicht zum Spielen benutzt – außer bei Gegenmelodien oder den Halbtönen
  • Dient oft der Stabilisierung.
  • Hält beim Ziehen/Drücken den richtigen Gegendruck.
  • Gut zu wissen: bei sehr virtuosen Stellen kann der Daumen die Beweglichkeit der anderen Finger etwas einschränken, dabei ist es hilfreich, den Daumen von der Daumenleiste zu lösen und locker zu lassen.

Der Daumen im 5-Finger-System:

  • Spielt aktiv mit – vor allem bei Läufen, langen Tönen oder Akkordgriffen.
  • Erfordert mehr Übung, da der Daumen sich am Griffbrett beim Ansteuern etwas anders verhält als die anderen Finger.
  • Erfordert mehr Beweglichkeit der Finger und eine bewusstere Handhaltung.
  • Vorteil: Flüssigere Spielabläufe (wenn man damit umgehen kann, bis es soweit ist, dauert es länger als mit 4 Fingern), weniger Umgreifen bei schnellen Stellen.

Vorteile und Herausforderungen

4-Finger-System:

  • Leichter für Anfänger
  • stabile Handhaltung
  • bessere Treffsicherheit
  • mehr Kraft beim Anschlag

5-Finger-System:

  • weniger Weg/ weniger Umgreifen
  • Eher für Spieler mit sicherer Haltung und Erfahrung
  • geeignet für sehr virtuoses Spiel

Welches System passt (aktuell) zu dir? (Ein kurzer Selbst-Check)

Ob du mit 4 oder 5 Fingern spielst, hat großen Einfluss auf dein Spielgefühl – aber es gibt keinen richtigen oder falschen Weg. Vielmehr geht es darum, was gerade jetzt zu dir passt.

Wenn du am Anfang deiner Harmonika Lernreise stehst und möglichst bald Erfolgserlebnisse haben möchtest, dann ist das 4-Finger-System ideal:

  • Deine Handhaltung ist von Anfang an stabil.
  • Du bekommst ein gutes Gefühl für die Knöpfe.
  • Du triffst die richtigen Töne zuverlässiger, weil dir die Stütze durch den Daumen dabei enorm hilft.

Das 5-Finger-System macht besonders dann Sinn, wenn du bereits musikalische Vorerfahrung hast – etwa vom Klavier oder Akkordeon – oder wenn du ambitionierte, sehr virtuose Stücke anstrebst.

Hier bringt der Daumen klare Vorteile:

  • weniger Umgreifen,
  • flüssigere Läufe und
  • größere Freiheit beim Spielen.

Meine Empfehlung: Starte mit 4 Fingern, entwickle Sicherheit, ein gutes Gehör und ein Gefühl fürs Griffbrett. Wenn du später das Bedürfnis hast, dein Spiel weiterzuentwickeln, kannst du jederzeit auch den Daumen miteinbauen.

So macht das René Kogler auch, er spielt eigentlich mit dem 4 Finger-System und verwendet, wenn es erforderlich ist auch den Daumen. (Er bezeichnet sich aber nicht als 5-Finger Spieler.)

Fazit: Mehr Bewusstsein, besseres Spielgefühl

Ob 4- oder 5-Finger – beide Wege sind vollkommen legitim und führen zum Ziel. Entscheidend ist nicht, welches System „besser“ ist, sondern welches aktuell am besten zu dir, deinem Können und deinen Zielen passt.

Meine Empfehlung: Starte mit 4 Fingern, entwickle Sicherheit und Gefühl für dein Instrument – und baue den Daumen gezielt ein, wenn du bereit dafür bist.

PS: Falls du von 5 Fingern auf 4 Finger umsteigen möchtest, schau dir dieses Video von Thomas an.

Celia mit einer Steirischen Harmonika um die Schultern